IronCamp - Neue Paradigmen
für Metallagestaltung und Handwerk
Die Symposien-Reihe IronCamp in Ybbsitz beschäftigt sich mit der Zukunft der Metallgestaltung und des Schmiedehandwerkes.
In
dessen zweiter Auflage im Februar 2017 behandelte die internationale
und transdisziplinäre Gruppe Fragen wie „Was wird ein Schmied im Jahr
2030 machen?“ und „Warum Metall und schmieden?“.
Der Impulsvortrag
des progressiven italienischen Designers Mirko Daneluzzo (NYXO studio)
weiste überhaupt den Weg in Richtung neuartiger
technologisch-maschineller Unterstützung des Handwerks und wirft den
provokativen Begriff „Cyborg-Craft“ auf. Wesentlich bleibt in der
Symposien-Reihe IronCamp auch die Rollenfrage und jene der Kommunikation
zwischen den Gewerken.
Projektstruktur:
Das IronCamp-Symposium ist auf eine Serie von drei Teilen angelegt.
IronCamp
1 fand im Februar 2016 statt, IronCamp 2 nun im Februar 2017, und die
abschließende dritte Runde soll im Februar 2018 stattfinden.
Der
Verein Schmiedezentrum Ybbsitz ist Projektträger und wird unterstützt
durch Mittel der Europäischen Union und Land Niederösterreich
(LEADER-Fonds). Weitere unterstützende Institutionen sind der Ring der
Europäischen Schmiedestädte, der Verein Eisenstraße Niederösterreich und
die UNESCO.
Den Projektträgern ist es wichtig, Metallgestaltung und
Handwerk auf vielen Ebenen qualitativ zu thematisieren, um somit die
Wertschätzung für das Schmiedehandwerk zu steigern und dessen
Zukunftsmöglichkeiten aufzuzeigen. Durch den UNESCO-Titel des
immateriellen Kulturerbes „schmieden in Ybbsitz“ besteht der Auftrag,
das lebende Schmieden auch in die Zukunft zu tragen.
Pro Symposium wird auf drei Tage konzentriert und moderiert nachgedacht und diskutiert.
Während einer Exkursion wird den Experten der regionale Kontext näher gebracht, um Impulse für die Diskussionen zu setzen.
Ein
Impulsvortrag gibt Denkfutter vor. Die Denkergruppe setzt sich aus
einer Gruppe von 10 bis 12 internationalen Experten aus
Schmiedehandwerk, Bildhauerei, Architektur, Design,
Materialwissenschaften und Kunstgeschichte zusammen.
Dabei werden
Denkschulen für Metallgestaltung und Handwerk diskutiert, gefiltert und
sichtbar gemacht. Die Ergebnisse beziehungsweise Paradigmen des
IronCamp-Symposiums können keine absoluten Aussagen treffen. Die
Paradigmen können nur subjektiv aus den vielfältigen Sichtweisen der
aktiv mit der Materie befassten Personen gefiltert werden. Nach jeder
der drei Symposien folgt eine Publikation der Inhalte, welche online zur
Verfügung gestellt wird (siehe Weblink unten) und somit auch allen
interessierten Personen zugänglich ist.
IronCamp 2 Kernaussagen:
Zwei
Hauptrichtungen für die Zukunft der Metallgestalter und
Schmiedehandwerker wurden in IronCamp 2 gefiltert. In einer Richtung
kann sich der Schmied in einem Nischensegment sehen und in unserem
digitalen Zeitalter ein allgemeines menschliches Bedürfnis für
Materialität stillen. Viele andere Ausstellungen, Symposien und
Publikationen weltweit beschäftigen sich zur Zeit mit der Wertschätzung
für die vermeintlich aussterbenden Handwerke. Dabei spielt der Begriff
„Innovation“ eine weit untergeordnete Rolle. Denn in dieser Richtung
bleibt der Metallgestalter rein mit den traditionellen
Bearbeitungstechniken betraut und begnügt sich mit dem Feiern des
archaischen Bildes des Schmiedehandwerkes. Diese erste Richtung ist also
eine traditionalistische Position und gleichzeitig eine Besinnung auf
die Urfaszination für Feuer und Eisen. Dabei bleibt der Schmied
Restaurator oder ein Repräsentationsobjekt für das Erlebnis einer
sozusagen antiken Technologie.
In einer zweiten Strömung geht es um
die tatsächliche Weiterentwicklung des metallgestaltenden Handwerks. Mit
der Anwendung technologischer Neuerungen und neuer Werkzeuge für
Gestaltung, Produktion und Kommunikation kann der Metallgestalter wieder
„an die Spitze der Technologie“(1) gelangen und der eigentlichen
Entwicklungstradition des Schmiedens treu bleiben. Werkzeuge waren immer
eine Verlängerung oder Verstärkung der menschlichen Hände, im
Schmiedehandwerk veranschaulicht durch Zange und Hammer. Im
Schmiedegewerk wurden früh auch größere Hilfsmittel entwickelt, die
nicht mehr direkt von Hand geführt werden. Man denke an Schwanz- und
Lufthammer.
Designer Daneluzzo veranschaulicht den Sprung in die
Zukunft anhand von sogenannten Exoskeletons sowie durch Manipulatoren
welche in der Industrie seit Jahrzehnten verwendet werden.
Industriemanipulatoren werden wie Bagger und sonstige Fahrzeuge durch
Steuermodule (Hebel, Lenkrad,…) bedient. Exoskeletons hingegen, wie sie
in Science-Fiction thematisiert aber auch bereits für militärische
Zwecke entwickelt werden, sollen die Bewegung der steuernden Person
direkt verstärken oder in einer anderen Größenordnung spiegeln. Man
denke beispielsweise an medizinische Mikro-Operationen oder an
Drohnenflüge, welche die Bewegungen der Steuerpersonen auf das bediente
Gerät übersetzen. Das Werkzeug wird zur direkten technologischen
beziehungsweise mechanischen Verlängerung der menschlichen Extremitäten,
und somit liegt der Begriff Cyborg als Hybrid aus Mensch und Maschine
bereits nahe.
„Warum Metall? Warum schmieden?“
Das
IronCamp-Symposium beschäftigt sich weniger mit dem „Wie“ in der
Metallgestaltung sondern stellt auch Fragen der Motivation. Bei der
Beantwortung der Warum-Fragen wird klar, dass die Metallgestalter
motiviert werden durch eine starke Emotionalität für das archaische
Material. Metall fasziniert und überzeugt auch im aktuellen Zeitalter
der Kunststoffe immernoch. Es habe eine Seele wegen seiner besonderen
Eigenschaften in der Bearbeitung, in seinem Alterungsprozess und in
seinen vielfältigen Möglichkeiten der Anwendung.
„Was wird der Schmied im Jahr 2030 machen?“
In
dieser Frage kommt die Denkergruppe auf den Schluss, dass sich das
Handwerk selbst in den nächsten dreizehn Jahren nicht gravierend
verändern wird. Der Schmied wird sich global für die Vermarktung seiner
Produkte und für den Wissenserwerb mehr mit den neuen
Kommunikationsmedien befassen. Dies geschieht bereits mittels
online-Lehrvideos oder durch online-Foren wie beispielsweise das vom
Schmied Peter Brunner betriebene Forum „schmiededaseisen.de“. Lokal
bleibt die Werkstatt selbst als physisches Medium für das kreative
Schaffen erhalten. Es wird eine größere Wertschätzung für die Nische
„Schmiedeprodukte“ vorherrschen. Ein Großteil der Menschen hat in seiner
Beruflichkeit keinen Bezug mehr zu Material, und daher wird das
Bedürfnis für das Erleben von Handwerk und den Erwerb handwerklicher
Produkte weiter steigen. Sollten im Jahr 2030 bereits Exoskeletons
verfügbar sein, wird auch darin der Hammer geschwungen werden, zur
sensitiven und direkten Übertragung der Bewegungen des Schmiedes.
Ressourcen:
https://issuu.com/schmiedezentrumybbsitz/docs/ironcamp-2016-web-issuu
http://schmieden-ybbsitz.at
Fußnote:
(1)
Architekt Franz Sam hatte im IronCamp Symposium 1 die wohl begründete
Aussage getroffen, dass der Schmied vor 1000 Jahren an der Spitze der
Technologie stand.
Fotos: Andreas Kronsteiner
Text: (CC) Joseph Hofmarcher, 2017
Eine Denkergruppe im Haus FeRRUM im Schmiedezentrum Ybbsitz (v.l.t.r.) IronCamp Symposium 2:
Bürgermeister Josef Hofmarcher (Obmann des Projektträgers Schmiedezentrum Ybbsitz), Josef Lueger (Moderator,
Österreich), Nikolaus Frühwirth (Schmied, Österreich), Georg Kromoser (Materialwissenschafter, Österreich), Marta
Kravchenko (Kunsthistorikerin, Ukraine), Joseph Hofmarcher (Kurator, Architekturgestalter, Österreich), Peter Brunner
(Schmied, Deutschland), Mirko Daneluzzo (Designer, Italien), Johannes Längauer (Architekt, Österreich), Alexander
Kamelhair (Bildhauer, Texas/USA), Letitia Teti (Architektin, Uruguay/Österreich), Petr Soudek (Schmied, Tschechien),
Jadran Stenico (Metallbildhauer, Italien), Guillermina Moralez (Schmiedin, Spanien), Ondřej Géla (Schmied,
Tschechien), Susanne Rumpl (Organisatorin, Schmiedezentrum Ybbsitz), Thomas Hochstädt (Schmied, Österreich).
IronCamp 2, February 2017:
Introduction:
The series of symposia „IronCamp“ in Ybbsitz is engaged with the future of metal design and blacksmith
handcraft. In its second edition in February 2017 the international and transdisciplinary group treated
questions like „What will a blacksmith do in the year 2030?“ and „Why metal and forging?“. The stimulating
lecture by the progressive Italian designer Mirko Daneluzzo (NYXO studio) lead the path towards novel
technologic-mechanical support of the crafts. And he even coins the provocative term of „cyborg-craft“. The
question of roles, and the question of communication between the crafts remain essential.
Structure of the project:
The symposium IronCamp is programmed to a series of three parts. IronCamp 1 took place in February
2016, IronCamp 2 was held in February 2017, and the final and third edition shall take place in February
2018. The association „Schmiedezentrum Ybbsitz“ is project promoter and is supported by subsidies of
the European Union and the Country Lower Austria (LEADER, LE14-20). Further supporting institutions are
the Ring of the European Cities of Iron Works, the Eisenstraße Niederösterreich and the UNESCO.
It is key to the project promoters that metal design and handcraft is addressed qualitatively on multiple
levels. And by these means, to rise the appreciation of blacksmith craft and demonstrate its future
opportunities. Through the UNESCO-title for the intangible cultural heritage „forging in Ybbsitz“ the
assignment persists, to carry the lively forging craft into the future.
Each symposium is concentrated to three days of moderated thinking and discussion. During an excursion
the experts are brought closer to the local context, to also set impetus for discussions. A stimulating lecture
provides substrate for the thinking process. The group of thinkers is composed of 10 to 12 international
experts from blacksmithing, sculpting, architecture, design, material sciences and art history. Hence there
are paradigms for metal design and handcrafts discussed, filtered and rendered visible. The outcomes of the
IronCamp symposium can never provide absolute statements. The paradigms can only be filtered from the
perspectives of the persons actively involved in the matter. After each of the three symposia follows a
publication of the contents. Those contents are provided online (see weblink below). By this, they are
available to all interested persons.
Core statements of IronCamp 2:
Two major paths for the future of metal design and handcrafts were filtered within IronCamp 2. In one
direction the blacksmith can see himself or herself in a niche market. And he or she can feed a common
humane desire to materiality within our age of digitalism. Many other exhibitions, symposia and publications
today and worldwide are investigating in the appreciation for the pretendedly vanishing crafts. In this matter
the term „innovation“ takes a subordinate role. Because in this direction the metal designer remains merely
concerned with traditional techniques of elaboration, and he or she remains content in celebrating the
archaic image of blacksmith craft. Hence, this path is a traditionalistic attitude and at the same time the
consciousness to the ancient fascination for fire and iron. At that point the blacksmith remains a conservator
or even a representational object for the experience of a so to speak ancient technology.
In a second current it is about the factual advancement of the metal designing craft. With the application of
technological improvements and novel tools for design, production, and communication every metal designer
can thrive back „to the top of technology“(2), and remain true to the original tradition of development within
blacksmithing. Tools were always an extension or an amplification of the human hand. In blacksmithing craft
this is illustrated by tong and hammer. Within blacksmith craft in early times supporting tools where invented,
that where no more guided merely by hand. Consider the tilt hammer or the pneumatic hammer.
Designer Daneluzzo illustrates the leap into the future with a so called exoskeleton and through
manipulators, which are used in common industries since decades now. Industrial manipulators are
controlled like excavating machines and other vehicles through steering modules (levers, steering wheel, …).
Exoskeletons are thematized in science-fiction, and they are used already for military application. Their
principle is to directly amplify or mirror the capabilities of the human body at various scales. The tool
becomes a direct technologic or mechanical extension of human limbs. These new means suggest the term
„cyborg“ as a hybrid between man and machine.
„Why metal? Why forging?“
The IronCamp-symposium deals less with the „how to“ in metal design, but it raises questions of motivation.
At answering the „why“-questions, we find that metal designers are being motivated by a strong emotionality
for the archaic material. Metal itself still fascinates and convinces in our actual zeitgeist of plastics. It shall
have a soul because of its particular qualities in elaboration, for its aging process, and for its manifold
possibilities in application.
„What will a blacksmith do in the year 2030?“
Within this question the group of thinkers comes to the point, that the handcraft itself will not change
seriously within the next thirteen years. The blacksmith will more and more consider global marketing for his
or her products, and gain knowledge through the ubiquitous media of communication. This already happens
via online learning videos, or through online forums, as for example „www.schmiededaseisen.de“ hosted by
the german masterblacksmith Peter Brunner. On a local scale the workshop itself as a physical medium
remains valid for the creative production. There will be a higher appreciation for the niche of „forged
products“. Today a majority of people in the western world has no relationship to material qualities in their
professional lives. Hence, the desire for the experience of handcraft and the acquisition of handcrafted
products will still rise. And if there will be exoskeletons commonly available already by the year 2030, then
there will be a hammer swayed within. And the motions of a blacksmith well be sensitively and directly
translated in a different scale of power.
Ressources:
https://issuu.com/schmiedezentrumybbsitz/docs/ironcamp-2016-web-issuu
http://schmieden-ybbsitz.at
Footnotes:
(1) Architect Franz Sam had met the reasonable statement in IronCamp 1, that the blacksmith was on top of
technology a thousand years ago.
Photographs: Andreas Kronsteiner
Text: (CC) Joseph Hofmarcher